Auf dieser Seite wird ein kurzer Überblick über interessante Forschungsergebnisse aus anderen Projekten zur Schlaganfallforschung gegeben.
Positionspapiere der Nachsorgekommission der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft veröffentlicht
2022/01/31 Der Akutphase des Schlaganfalls folgt oft eine chronische Phase der Erkrankung, die durch einen hohen multi- und interprofessionellen Versorgungsbedarf gekennzeichnet ist. Mit dem Ziel, die aktuelle Versorgungssituation darzustellen und Vorschläge für eine Verbesserung der Versorgung nach der Akutphase zu erarbeiten, gründete die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) 2020 eine Nachsorgekommission. Von dieser Kommission sind nun in der Fachzeitschrift „Der Nervenarzt“ 3 Positionspapiere erschienen, die den aktuellen Stand der Schlaganfallnachsorge in Deutschland abbilden und umfassend Ansätze für eine inhaltliche und strukturelle Weiterentwicklung im Sinne einer zukunftsorientierten Verbesserung der Nachsorge diskutieren [1, 2, 3]. Teil 1 bildet dabei die Versorgungsrealität ab und deckt Versorgungsdefizite entlang des Behandlungspfades vom Akutkrankenhaus über den Rehabilitationsprozess bis hin zur ambulant stattfindenden Nachsorge auf. Der Kontinuität des Behandlungsprozesses wird dabei ebenso eine große Bedeutung beigemessen wie der Einbeziehung der Patientenperspektive sowie der Anwendung eines multiprofessionellen Ansatzes und eines transsektoralen Case-Managements. Teil 2 fokussiert auf der inhaltlichen Ausgestaltung der Nachsorge und diskutiert dabei die Implementierung eines Schlaganfallspezialisten, der die unterschiedlichsten Bedarfe in der Nachsorge mit einer patientenzentrierten Perspektive im Blick behält, die individuelle Behandlungsplanung initiiert und diese überwacht. Teil 3 adressiert mögliche Rahmenbedingungen für die Umsetzung einer optimierten Schlaganfallnachsorge; diskutiert werden dabei die Vor- und Nachteile beispielweise einer integrierten Versorgung und des Disease-Management-Programms.
[1] Kaendler S, Ritter M, Sander D, Elstner M, Schwarzbach C, Wagner M, Meisel A, “Mitglieder Kommission Nachsorge der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft. Positionspapier Schlaganfallnachsorge der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft – Teil 1: Nachsorge nach einem Schlaganfall: Status quo der Versorgungsrealität und Versorgungsdefizite in Deutschland.” Nervenarzt, im Druck. doi: 10.1007/s00115-021-01231-9.
[2] Hotter B, Ikenberg B, Kaendler S, Knispel P, Ritter M, Sander D, Schwarzbach C, von Büdingen HJ, Wagner M, Meisel A, “Mitglieder Kommission Nachsorge der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft. Positionspapier Schlaganfallnachsorge der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft – Teil 2: Konzept für eine umfassende Schlaganfallnachsorge.” Nervenarzt, im Druck. German. doi: 10.1007/s00115-021-01232-8.
[3] Schwarzbach CJ, Michalski D, Wagner M, Winkler T, Kaendler S, Elstner M, Dreßing A, Claßen J, Meisel A, Grau A, “Mitglieder Kommission Nachsorge der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft. Positionspapier Schlaganfallnachsorge der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft – Teil 3: Strukturelle Konzepte für zukünftige Versorgungsformen der Schlaganfallnachsorge.” Nervenarzt, im Druck. doi: 10.1007/s00115-021-01230-w.
Einblicke in die Gestaltung digitaler Lösungen zum Schlaganfall-Case-Management
2021/09/17 Im Rahmen der Konferenz “Biomedical and Health Informatics” (BHI’21) präsentierte Dr-Ing Christian Lüpkes des Instituts OFFIS seinen Beitrag “A Mobile Application for Documentation and Guiding of Stroke Patients – The LotsenApp” [1] im Rahmen der Special Session “Mobile Digital Solutions in Patient Care”, welche unter der Leitung von Prof. Ivanova und dem Stellvertreter Prof. Georgius Raptis stattfand. Die LotsenApp ist eine App für mobile Endgeräte, die in der von 2017 bis 2021 laufenden STROKE OWL Studie angewandt wurde. Studienziel ist die Einschätzung, ob und wie die LotsenApp zu einer Senkung der Rezidivrate bei den Schlaganfallpatienten beiträgt.
Die Tablet-App wurde von Schlaganfalllotsen genutzt, um Patienteninformationen einzutragen sowie Fragebögen durchzuführen. Im STROKE OWL Projekt wurde diese App von 17 Schlaganfalllotsen zur Betreuung von 1530 Patienten verwendet. Es wurden Daten gesammelt, welche für Versorgung, Krankenversicherung und wissenschaftliche Auswertung relevant sind.
Die Studienergebnisse werden momentan noch ausgewertet, ein detaillierter Überblick wird sehr bald verfügbar sein.
Die Anforderungen der Lotsen-App von STROKE OWL haben viele Überschneidungen mit denen des Lotsenportals im Projekt PostStroke-Manager, was zu ähnlichen Spezifikationen, jedoch unterschiedlichen Implementationen geführt hat. Dr. Jean-Baptiste Tylcz (ICCAS) stellte auf derselben Konferenz den Beitrag “Toward an efficient mobile system for stroke case managers: requirements” [2] vor, welcher die wichtigsten Anforderungen für das Design eines Systems zum Schlaganfall-Case-Management bündelt. Die Anforderungen wurden hauptsächlich aus der Arbeit des PostStroke-Manager-Konsortiums abgeleitet und umfassen eine Vielfalt an Voraussetzungen unterschiedlicher Bereiche von Ergonomie über Netzwerkanbindung und Datensicherheit bis hin zu Signalanalysealgorithmen.
Sobald abgeschlossen, stellt diese Architektur ein wichtiges Element des digitalen Systems dar, welches in der kommenden klinischen Schlaganfallnachsorgestudie – einer der ersten innovativen intersektoralen Studien auf diesem Feld – evaluiert wird.
[1] C. Lüpkes, T. Wolters, A. Hein, “ A Mobile Application for Documentation and Guiding of Stroke Patients – The LotsenApp”, 2021 IEEE EMBS Int. Conf. Biomed. Health Inform, 2021.
[2] J.-B. Tylcz, A. Prost, D. Geisler, D. Urban, M. Schreiber, T. Handel, D. Michalski and G. Ivanova, “Toward an efficient mobile system for stroke case managers: requirements”, 2021 IEEE EMBS Int. Conf. Biomed. Health Inform, 2021.
Vortragsreihe über Schlaganfall-Lotsen- und Nachsorge-Projekte
Die Verantwortlichen des ebenfalls schlaganfall-bezogenen Forschungsprojekts STORKE OWL- Schlaganfall-Lotsen für Ostwestfalen-Lippe bzw. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe verstanstalten momentan eine Online-Vortragsreihe zum Thema “Schlaganfall-Lotsen- und Nachsorge-Projekte”.
Für alle Interessierten geht es hier zu den Terminen und Veranstaltungen:
https://stroke-owl.de/de/aktuelles/online-vortragsreihe
INSPiRE-TMS
In einer aktuell veröffentlichen, federführend von der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführten internationalen Studie, wurde der Effekt einer strukturierten Nachsorgebehandlung nach kleineren Schlaganfällen und vorübergehenden Durchblutungsstörungen des Gehirns (den sogenannten transitorisch-ischämischen Attacken, TIA) untersucht. Dabei stellten die Forscher die individuelle Konstellation von Risikofaktoren bei den untersuchten Patienten in den Fokus und begleiteten Betroffene durch regelmäßige Termine bei erfahrenen und speziell ausgebildeten Pflegekräften. Ziel war die Vermeidung eines erneuten Schlaganfalls durch die Veränderung von Lebensgewohnheiten und regelmäßige Einnahme der Medikamente.
Leider konnte durch die zusätzliche Betreuung der Schlaganfallpatienten innerhalb der Nachbeobachtungszeit von etwa dreieinhalb Jahren kein direkter und verbindlicher Effekt auf das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erreicht werden. Wohl aber zeigte sich bei den Patienten mit intensiverer und strukturierter Nachsorge eine deutliche Reduktion von Risikofaktoren, was sich in besseren Blutdruckwerten, niedrigeren Cholesterinwerten und auch häufiger erfolgreicher Rauchentwöhnung zeigte. Insofern liegt ein positiver Effekt in Bezug auf das Auftreten zukünftiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen nahe, dessen statistische Abbildung in dem vergleichsweise kurzen Beobachtungszeitraum unter Studienbedingungen lediglich nicht gelang.
Wir freuen uns, dass das Thema Schlaganfall-Nachsorge in der aktuellen Forschung an Bedeutung gewinnt und dass innovative Versorgungskonzepte diskutiert bzw. in klinischen Studien bereits überprüft werden. Der im Projekt PostStroke-Manager vorgesehene, kombinierte Ansatz aus persönlichem Kontakt und digitaler Unterstützung könnte einen entscheidenden Schritt in der Weiterentwicklung innovative Versorgungskonzepte leisten und gleichzeitig spannende neue Impulse setzen.
Referenz: Ahmadi M, Laumeier I, Ihl T, et al. A support programme for secondary prevention in patients with transient ischaemic attack and minor stroke (INSPiRE-TMS): an open-label, randomised controlled trial. Lancet Neurology 2020; 19: 49-60
RE-SPECT ESUS-Studie
2019/06/07 Zentraler Bestandteil der Nachbehandlung von Schlaganfällen ist die sekundärprophylaktische Medikation, die Zweitereignisse verhindern soll. Diese wird individuell nach Risikoprofil des Patienten festgelegt. Bei Patientinnen und Patienten mit bereits bekanntem Vorhofflimmern entscheidet man sich der Leitlinie folgend dabei zur oralen Antikoagulation, d.h. einer stärkeren „Blutverdünnung“ durch Tabletten.
Eine bestimmte Patientengruppe ist in dieses Risikoprofil aber schwer einzuordnen, nämlich Patienten, deren Befundkonstellation eine Ursache des Schlaganfalls in einer Herzerkrankung bzw. Rhythmusstörung (Vorhofflimmern) vermuten lassen, ohne diese zum Zeitpunkt des Schlaganfalls nachweisen zu können. Man spricht dann von einem „embolic stroke of undetermined source“ (ESUS).
In zwei Studien – zuletzt der RE-SPECT ESUS-Studie, die vergangenen Monat publiziert wurde – wurde untersucht, ob Patientinnen und Patienten mit ESUS (s.o.) von einer Antikoagulation profitieren, d.h. hierunter weniger Zweitereignisse eintreten als unter der Standardmedikation wie beispielsweise Acetylsalicylsäure.
Leider konnten hierbei keine Vorteile einer stärkeren „Blutverdünnung“ festgestellt werden, sodass in zukünftigen Studien weitere Diagnostik- und Behandlungsoptionen genauer untersucht werden müssen. Die Studie zeigt auch wie wichtig die Nachsorge bei Schlaganfallpatienten ist, da im Rahmen dieser regelmäßig nach Risikofaktoren für Zweitereignisse gesucht wird und die sekundärprophylaktische Medikation entsprechend angepasst werden kann.
Referenz: Diener HC, Sacco RL, Easton JD, Granger CB, Bernstein RA, Uchiyama S, Kreuzer J, Cronin L, Cotton D, Grauer C, Brueckmann M, Chernyatina M, Donnan G, Ferro JM, Grond M, Kallmünzer B, Krupinski J, Lee BC, Lemmens R, Masjuan J, Odinak M, Saver JL, Schellinger PD, Toni D, Toyoda K; RE-SPECT ESUS Steering Committee and Investigators. Dabigatran for Prevention of Stroke after Embolic Stroke of Undetermined Source. N Engl J Med 2019; 380: 1906-1917.